Donnerstag, 26. August 2010

Wie der Schuß nach hinten losgeht

Über die Sinnhaftigkeit einer Zertfizierung nach der DIN 77200 haben ja nun auch schon andere ausführlich geschrieben. Spannend ist, wenn die Verursacher, also die Stellen die Aufträge vergeben, sich mit der Forderung nach einem DIN 77200 Zertifikat selber ins Bein schießen.

Die Vergabekammer Nordbayern hatte Ende Mai diesen Jahres über einen Fall zu entscheiden, bei dem die Vergabestelle (VSt) unter anderem einen Liquiditätsnachweis über 300.000,-- € forderte.
Die Liquidität ist mit Vorlage einer Bankbürgschaft oder eines anderen Liquiditätsnachweises in einer Höhe von mindestens € 300.000,-- zu belegen.

Der Auftrag sollte an ein anderes Unternehmen als den Antragsteller (ASt) vergeben werden. Hierzu informierte die Vergabestelle den Antragsteller und begründete dies damit, dass der Liquiditätsnachweis in Höhe von mindestens 300.000,-- € fehle.

In der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt die VSt u.a., dass sie von den Bietern den Nachweis einer Zertifizierung nach den Stufen 2 und 3 der DIN 77200 gefordert habe und dieser von der ASt vorgelegt worden sei. Die VSt bestätigt, dass Voraussetzung für eine Zertifizierung nach Stufe 3 der DIN 77200 ein Liquiditätsnachweis in Höhe von ≥ 300.000,-- € sei. Die VSt argumentierte allerdings,dass die Zertifizierung nach DIN 77200 nur einen indirekten Liquiditätsnachweis darstelle, man habe jedoch einen expliziten Nachweis in Form einer Bankbürgschaft oder eines Bankschreibens gewollt.

Nachdem die Vergabekammer darauf hinwies, dass keine Bankbestätigung, sondern ein "sonstiger Liquiditätsnachweis" gefordert worden sei, musste die VSt anerkennen, dass der Liquiditätsnachweis von der ASt erbracht worden ist. Die VSt verpflichtete sich, unter Berücksichtigung des Angebots der ASt erneut in die Wertung einzutreten.

Nun kann man über die Motivation spekulieren. Traut die VSt den Anbietern mit DIN 77200 Zertifikat nicht, so dass sie eine Bürgschaft über die liquiden Mittel fordert? Das macht Sinn. Kann doch das Zertifikat schon zwei oder drei Jahre alt sein und die Liquidität des Anbieters eine völlig andere sein als zum Zeitpunkt der Zertifizierung. Die Folge wird sein, dass VSt künftig nicht mehr einem "anderen" Liquiditätsnachweis fordern werden, sondern explizit nach einer Bankbürgschaft fragen. Wodurch ein weiterer vermeintlicher Vorteil der Zertifizierung nach der DIN 77200 ad absurdum geführt ist.

Spannend ist auch, wann die ersten ASt das Vergabekriterium DIN 77200 rügen werden.

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