Montag, 19. Oktober 2009

Zertifizierung nach DIN 77200?

Es ist schon erstaunlich mit welcher Chuzpe sowohl der VdS als auch Securlog eine Zertifizierung nach der DIN 77200 als Qualitätsmerkmal darstellen.

Die DIN 77200 war schon seit der Erstveröffentlichung nie als Grundlage für eine Zertifizierung gedacht und mit der Überarbeitung im Jahr 2008 wurde sogar explizit bestimmt, dass die Norm "keine Grundlage für irgendwelche Zertifizierungen bilden darf" (vergl.: DSD 2/2008 S. 12). Denn eine Zertifizierung - die regelmäßig über mehrere Jahre erteilt wird - macht keinen Sinn.

Das lässt sich an einem Beispiel dokumentieren: Die DIN 77200 verlangt unter anderem, dass für das Personal ein ärztliches Tauglichkeitszeugnis für den Einsatz im Geld- und Wertdienst vorliegen muss. Securlog beschäftigt laut eigenen Angaben bundesweit rund 3.600 Mitarbeiter. Bei einer unterstellten Fluktuation von 5 Prozent und einemZertifizierungszeitraum von drei Jahren gibt es nichts was die Konformität der Einhaltung der Tauglichkeitsuntersuchung für diese über 500 Mitarbeiter bestätigt! Das Gleiche gilt für die Haftpflichtversicherung des zertifizierten Unternehmens, diese müsste für mindestens die Dauer des Zertifikats gelten.

Auch das vorgeschriebene vierteljährige Schießtraining müsste mindestens vierteljährig durch den Zertifizierer (in diesem Fall also dem VdS) kontrolliert werden (wobei sich hier zusätzlich die Frage stellt, ob der Auditor die Kompetenz hat, beispielsweise eine "realitätsnahe Schießausbildung" zu bewerten). Und wer haftet eigentlich bei einem Schadenseintritt durch Nichteinhaltung der Norm - trotz vorhandenem Zertifikat?

Fazit: Eine Zertifizierung nach DIN 77200 kann und soll es eigentlich nicht geben. Die dafür notwendige Auditierung wäre immer nur eine räumlich begrenzte Momentaufnahme. Und niemand glaubt ernsthaft, dass bei einer Auditierung das Vorliegen von 3.600 ärztlichen Attesten geprüft wird. Bei der DIN ISO 9000ff. ist das nicht anders. Aber die DIN ISO 9000ff. prüft nur, ob ein Qualitätsmanagementsystem vorhanden ist, nicht ob es tatsächlich umgesetzt wird. Genau diese Problematik wollte die Mehrzahl der Mitglieder des Normungsauschuss' zur DIN 77200 lösen. Und deshalb ist eine Zertifizierung nach DIN 77200 - freundlich ausgedrückt - Augenwischerei gegenüber dem Kunden.

Um die DIN 77200 als QM-Werkzeug einzusetzen gibt es nur einen Weg: Der Kunde schreibt die gewünschte Dienstleistung gemäß DIN 77200 aus und vereinbart mit dem Dienstleister die Einhaltung selbiger. Wird dann bei einer routinemäßigen oder ad-hoc Überprüfung der Konformität festgestellt, dass einzelne Bestandteile der Norm nicht eingehalten wurden, greifen die vorher vertraglich vereinbarten Sanktionen. Wie diese Konformitätsüberprüfung gemacht werden lässt sich sicherlich diskutieren,Teams aus Auftraggeber oder Auftragnehmer sind genauso denkbar wie die Begutachtung durch externe, ausreichend fachkundige Personen.

Quelle: Sicherheit.info

2 Kommentare:

  1. Frage : Wie sieht es eigentich aus ,wenn ein Unternehmen Leiharbeiter beschäftigt?

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  2. Dann ist die Dienstleistung nicht DIN 77200 konform, da die Norm fordert, dass die Beschäftigten einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit dem Auftragsnehmer abschließen, der den Mindestanforderungen des BDWS entspricht. Alternativ käme die Beschäftigung von Subunternehmern in Frage, allerdings muss der Auftraggeber zustimmen und der Subunternehmer muss vollumfänglich die DIN 77200 erfüllen.

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